DIN-Normen - Teil 16

 

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DIN-Normen - Teil 16

 

 

Einbeziehung ergonomischer Grundsa¨tze in den Gestaltungsprozess

Entscheidungen, die wa¨hrend des Gestaltungsprozesses getroffen werden, haben entscheidende Ein-
flu¨sse auf die Arbeitsaufgaben und die Arbeitsbedingungen der Bedienperson. Deshalb muss den er-
gonomischen Anforderungen in allen wesentlichen Stufen des Gestaltungsprozesses nachgekommen
werden. Der Gestaltungsprozess kann als iterativer Entwicklungsprozess beschrieben werden, der er-

Start

Grenzen der Maschine in

Bezug auf Ergonomie

bestimmen

Ergonomische

Gefährdungen/Risiken

identifizieren

Gibt es eine spezielle

C-Norm, die geeignet ist ?

Können

ergonomische Risiken mit

Hilfe der Maßnahme auf ein

vertretbares Niveau
vermindert werden ?

Bezugnahme auf oder

Anwendung von

Ergonomie-B-Normen

Heranziehung anderer

Ergonomie-Spezifikationen

Umgestaltung der MMI* der

Maschine gem. EN 614-1

oder unter Verwendung

anderer Quellen

Verifizierung der mit Hilfe der

Maßnahme(n) erzielten Minderung

ergonomischer Risiken

Ist die Lösung

angemessen und wird

das Risiko hinreichend

reduziert ?

Können Risiken mit

Hilfe von B-Normen

verhindert werden ?

Stehen andere

Ergonomie-Spezifikationen

zur Verfügung ?

Umsetzung der Risikominderung/

Maßnahme für jede Gefährdung

Umsetzung der

Maßnahme

Ja

Ja

Nein

Ja

Ja

Nein

Nein

Nein

Nein

Ja

2. Schritt

3. Schritt

4. Schritt

5. Schritt

1. Schritt

* Mensch - Maschine - Interaktion

Bild 76.1

Ablaufdiagramm fu¨r das schrittweise Vorgehen

6

Sicherheit und Gesundheitsschutz durch Normung

76

gonomische Anforderungen mit einbezieht (s. Tab. 78.1).

Der Entwicklungsprozess erfolgt in der Regel in vier Hauptstufen:

– Ausarbeitung der Gestaltungsspezifikationen;
– Erstellung eines Gestaltungsentwurfs (oder mehrerer Entwu¨rfe);
– Erstellung des detaillierten Gestaltungsentwurfs;
– Ausfu¨hrung.

In der ersten Stufe werden die Systemspezifikationen ausgearbeitet und die zu erfu¨llenden Anforde-
rungen beschrieben. In der zweiten Stufe entwickelt der Konstrukteur die urspru¨nglichen Ideen bis zu
dem Punkt weiter, an dem entschieden wird, welcher Entwurf (oder Entwu¨rfe) fu¨r die weitere Bearbei-
tung geeignet ist (sind). In der dritten Stufe fu¨hrt der Konstrukteur die Ausarbeitung im Detail fort
und stellt die beno¨tigte Dokumentation zusammen. In der letzten Stufe begleitet der Konstrukteur die
Ausfu¨hrung, bis die Maschine im Gebrauch bewertet wurde.

Durchfu¨hrung

Die Durchfu¨hrung von praktischen Versuchen unter Mitwirkung der Operatoren wird empfohlen, um
festzustellen, ob die Gestaltung durch weitere Bearbeitung noch verbessert werden kann (s. Tab. 78.1).
Praktische Versuche unter Verwendung von maßsta¨blichen Modellen oder Modellen im Maßstab 1 : 1
der Arbeitsmittel ko¨nnen Hinweise auf mo¨gliche Gestaltungsfehler geben und dem Konstrukteur
die Mo¨glichkeit geben, Verbesserungen auf der Grundlage von Erfahrungen der Operatoren durch-
zufu¨hren.

DIN EN 614-2

Sicherheit von Maschinen – Ergonomische Gestaltungsgrundsa¨tze – Teil 2: Wechsel-
wirkungen zwischen der Gestaltung von Maschinen und den Arbeitsaufgaben
(Okt 2000)

In dieser Norm sind ergonomische Grundsa¨tze und Verfahren festgelegt, die bei der Gestaltung von
Maschinen und den Arbeitsaufgaben der Operatoren zu befolgen sind.

Die Norm befasst sich speziell mit der Gestaltung der Arbeitsaufgabe in Zusammenhang mit der Ge-
staltung von Maschinen, aber die darin enthaltenen Grundsa¨tze und Methoden ko¨nnen auch auf die
Gestaltung von Ta¨tigkeiten (job design) angewandt werden.

Sie richtet sich an Konstrukteure und Hersteller von Maschinen und anderen Arbeitsmitteln und wird
auch denjenigen von Nutzen sein, die sich mit der Anwendung von Maschinen und Arbeitsmitteln
befassen, z. B. Fu¨hrungskra¨ften, Organisatoren, Operatoren und deren Vorgesetzten.

Die Gestaltung von Arbeitsaufgaben beinhaltet die Analyse und Spezifikation von Funktionen sowie
deren Zuordnung zur Maschine oder zum Operator als Teil des Gestaltungsprozesses und hat zum
Ziel, zum optimalen Funktionieren des Arbeitssystems beizutragen. Daher folgt eine gute Gestaltung
ergonomischen Grundsa¨tzen und beru¨cksichtigt insbesondere den Kontext der Benutzung und die
Population der vorgesehenen Operatoren. Grundsa¨tze guter ergonomischer Gestaltung sind in
DIN EN 614-1 festgelegt. Das Ziel muss durch weitestgehende Realisierung der aufgefu¨hrten Merk-
male gut gestalteter Arbeitsaufgaben der Operatoren, Befolgung der angegebenen Methodik und
durch eine Bewertung der Arbeitsaufgaben erreicht werden.

Bei der Gestaltung von Maschinen und Arbeitsaufgaben muss der Konstrukteur sicherstellen, dass
die folgenden ergonomischen Merkmale gut gestalteter Arbeitsaufgaben erfu¨llt werden. Diese Merk-
male beru¨cksichtigen die Unterschiede sowie die zeitliche Vera¨nderung von Merkmalen innerhalb der
vorgesehenen Operatorenpopulation und werden durch eine aufeinander bezogene Gestaltung von
Maschinen und Arbeitsaufgaben erreicht.

Im Gestaltungsprozess muss der Konstrukteur daher

a) die Erfahrung, Fa¨higkeiten und Fertigkeiten der bestehenden oder zu erwartenden Operatorenpo-

pulation beru¨cksichtigen. Dazu geho¨ren der Stand der Schulbildung und der beruflichen Ausbil-
dung sowie die bei anderen, a¨hnlichen Arbeitssituationen erworbene Erfahrung. Hierbei sollte be-
dacht werden, dass Ausbildungs- und Wissensstand innerhalb

der Operatorenpopulation

unterschiedlich sind und sich mit der Zeit vera¨ndern. Daher sollten beispielsweise Anforderungen
an Geschwindigkeit und Komplexita¨t sowie Informationen zur Aufgabendurchfu¨hrung an alle vor-
gesehenen Benutzer anpassbar sein.

6

6.4

Ergonomie

77

b) sicherstellen, dass die durchzufu¨hrenden Arbeitsaufgaben als vollsta¨ndige und sinnvolle Arbeits-

einheiten mit deutlich identifizierbarem Anfang und Ende erkennbar sind und nicht einzelne
Fragmente solcher Aufgaben darstellen. Daher sollte jede Arbeitsaufgabe nicht nur aus Durch-
fu¨hrungskomponenten bestehen, sondern auch Vorbereitungs- (z. B. Planung) und Bewertungs-
komponenten (z. B. Inspektion, Pru¨fung) beinhalten.

c) sicherstellen, dass durchgefu¨hrte Arbeitsaufgaben als bedeutsamer Beitrag zum Gesamtergebnis

des Arbeitssystems erkennbar sind. Fu¨r den Operator sollte erkennbar sein, wie und in welchem
Ausmaß die Durchfu¨hrung der Arbeitsaufgabe und deren Ergebnis das gesamte Arbeitssystem
und dessen Ergebnisse beeinflusst. Daher muss eine unno¨tige Fragmentierung des Arbeitsprozes-
ses, die zu eng begrenzten Arbeitsaufgaben der Operatoren fu¨hrt, vermieden werden.

Tabelle 78.1

Ergonomische Aufgabenstellungen, die im Gestaltungsprozess von Maschinen durchzufu¨hren sind

Unterabschnitt
(s. Norm)

Stufen des
Gestaltungsprozesses

Ergonomische
Aufgabenstellungen

Beschreibung der Aufgaben
(in schrittweiser Unterteilung)

5.2.2

Ausarbeitung der
Gestaltungsanforderungen

Festlegung der
ergonomischen
Anforderungen fu¨r
die Gestaltung der
Maschine

a) Festlegung relevanter ergonomischer

Bewertungskriterien auf der Grundlage
allgemeiner ergonomischer Grundsa¨tze;

b) Sammeln von Erfahrungen bei

bestehenden Maschinen;

c) Beschreibung der Eigenschaften des

erwarteten Bedienungspersonals;

d) Risikobeurteilung.

5.2.3

Erstellung von
Gestaltungsentwu¨rfen

Ausarbeitung des
Vorentwurfs zu den
Arbeitsaufgaben und
Schnittstellen der
Maschine

a) Zuweisung der Funktionen und

Aufgaben an das Bedienungspersonal
und die Maschine;

b) Beschreibung der Aufgaben und

Ta¨tigkeiten des Bedienungspersonals;

c) Erstellung eines Entwurfs (Entwu¨rfe)

der Schnittstelle;

d) Bewertung der Schnittstellen des

Systems Bedienperson-Maschine
anhand der festgelegten Kriterien

5.2.4

Erstellung des detaillierten
Gestaltungsentwurfs

Spezifizierung der
Arbeitsaufgaben und
der Schnittstellen der
Maschine

a) Bewertung der Schnittstelle des

Systems Bedienperson-Maschine im
Detail unter Verwendung der relevanten
ergonomischen Normen und, falls
erforderlich, Aufgabensimulationen;

b) Ermittlung und Umsetzung notwendiger

Korrekturen an der Schnittstelle;

c) Erstellung der Entwurfsdokumentation.

5.2.5

Ausfu¨hrung des Entwurfs

Bewertung der
Maschine im
Gebrauch

a) Durchfu¨hrung von Pru¨fverfahren mit

Bedienungspersonal (Pru¨fpersonal);

b) Ermittlung und Durchfu¨hrung

notwendiger Modifikationen;

c) Sammeln von Ru¨ckmeldungen u¨ber

den tatsa¨chlichen Gebrauch der
Maschine;

d) Festlegung der Gebrauchsanweisungen

und des Ausbildungsgrades der Bedien-
person.

Allgemein gilt, dass alle Gefa¨hrdungen, die in Verbindung mit der Maschine innerhalb ihrer vorhersehbaren Einsatzzeit
auftreten ko¨nnen, identifiziert und weitestgehend eliminiert oder minimiert werden mu¨ssen.

6

Sicherheit und Gesundheitsschutz durch Normung

78

d) die Anwendung einer angemessenen Vielfalt von Fertigkeiten, Fa¨higkeiten und Ta¨tigkeiten ermo¨g-

lichen, insbesondere fu¨r eine angemessene Kombination folgender Arten des Verhaltens sorgen:

– Fertigkeitsbasiertes Verhalten, das aus einer unmittelbaren, einfachen, bewussten oder unbe-

wussten Reaktion auf Signale aus dem Arbeitsprozess besteht;

– Regelbasiertes Verhalten, das dem Operator durch die Anwendung grundlegender algorithmi-

scher Regeln (z. B. durch das Treffen einfacher Wenn-Dann-Entscheidungen) erlaubt, den Ar-
beitsprozess zu steuern;

– Wissensbasiertes Verhalten, das von dem Operator verlangt, komplexe Kenntnisse u¨ber die Zu-

sammenha¨nge innerhalb des Prozesses zu entwickeln und aufrechtzuerhalten, damit er/sie Sys-
temzusta¨nde und Fehler feststellen, Lo¨sungen entwickeln und angemessene Ta¨tigkeiten durch-
fu¨hren kann.

e) fu¨r ein angemessenes Maß an Freiheit und Selbststa¨ndigkeit des Operators sorgen. Der Operator

sollte bei der Aufgabendurchfu¨hrung zwischen Alternativen wa¨hlen sowie Priorita¨ten, Arbeitstem-
po und Arbeitsablauf bei der Erledigung der Arbeitsaufgabe bestimmen ko¨nnen. Streng festge-
legte Abfolgen von Arbeitsschritten, Taktzeiten und Arbeitsmethoden mu¨ssen vermieden werden.

f) fu¨r ausreichende, fu¨r den Operator sinnvolle Ru¨ckmeldungen in Bezug auf die Aufgabendurchfu¨h-

rung sorgen. Dem Operator mu¨ssen Informationen u¨ber die Aufgabendurchfu¨hrung zur Verfu¨gung
gestellt werden, die es ihm/ihr ermo¨glichen zu u¨berpru¨fen, ob das Ziel erreicht wurde und die
Durchfu¨hrung angemessen erfolgt ist. Dies beinhaltet auch Informationen u¨ber Fehlhandlungen
und richtige Alternativen.

Bei Arbeitsaufgaben, die mit ha¨ufigen Unterbrechungen verbunden sind, mu¨ssen bei der Gestal-
tung von Maschinen Hilfsmittel zur Unterstu¨tzung des Geda¨chtnisses vorgesehen werden, die es
dem Operator erleichtern, sich daran zu erinnern, wo er/sie die Arbeitsaufgabe unterbrochen hat.

g) ermo¨glichen, vorhandene Fertigkeiten und Fa¨higkeiten auszuu¨ben und weiterzuentwickeln sowie

neue zu erwerben. Dies sollte erreicht werden, indem verschiedene Wege der Aufgabendurchfu¨h-
rung, ein ausreichendes Maß an Selbststa¨ndigkeit und Abwechslung in Verbindung mit angemes-
senen Ru¨ckmeldungen in Bezug auf die Aufgabendurchfu¨hrung ermo¨glicht werden. Dadurch kann
der Operator den Betriebsmodus wa¨hlen, der dem jeweiligen Stand seiner/ihrer Fachkenntnisse
am besten entspricht, sowie versuchen, neue Erfahrungen in Bezug auf verschiedene Wege der
Aufgabendurchfu¨hrung zu erlangen, vorzugsweise durch Kombination verschiedener Arten des
Verhaltens.

Bei berwachungs- und Steuerungsta¨tigkeiten, insbesondere in hochautomatisierten Systemen,
muss der Operator in die Lage versetzt werden, die Fa¨higkeit zu erwerben, den Prozess zu steuern
und sich ein klares Bild der Struktur und der Zusammenha¨nge innerhalb des Prozesses anzueig-
nen. Dies ist besonders wichtig in Notfallsituationen.

h) ber- und Unterforderung des Operators vermeiden, die zu unno¨tiger oder u¨berma¨ßiger Bean-

spruchung, Ermu¨dung oder zu Fehlern fu¨hren kann. Ha¨ufigkeit, Dauer und Intensita¨t von Wahrneh-
mungs-, kognitiven und motorischen Aktivita¨ten mu¨ssen so gestaltet werden, dass diese Folgen
vermieden werden. ber- und Unterforderungen mu¨ssen nicht nur unter normalen Bedingungen,
sondern auch unter anormalen Bedingungen (z. B. Worst-Case-Situationen) beru¨cksichtigt werden.
Dies ist besonders wichtig bei berwachungs- und Steuerungsta¨tigkeiten, insbesondere in hoch-
automatisierten Systemen.

Ob es zu ber- und Unterforderung kommt, variiert innerhalb einer Population und vera¨ndert sich
mit der Zeit. Daher ist es notwendig, Mo¨glichkeiten zur Anpassung an individuelle Unterschiede,
an Entwicklungsphasen und an den Stand der Ausbildung vorzusehen.

i) repetitive Aufgaben vermeiden, die zu einseitiger Arbeitsbelastung und somit zu ko¨rperlichen Be-

eintra¨chtigungen sowie zu Monotonie- und Sa¨ttigungsempfindungen, Langeweile oder Unzufrie-
denheit fu¨hren ko¨nnen. Kurze Taktzeiten sollten daher vermieden werden. Eine angemessene Viel-
falt von Aufgaben oder Ta¨tigkeiten muss fu¨r den Operator vorgesehen werden. Falls repetitive
Aufgaben nicht vermieden werden ko¨nnen,

– darf die zur Aufgabendurchfu¨hrung verfu¨gbare Zeit nicht allein auf der Grundlage der unter nor-

malen Bedingungen gemessenen oder gescha¨tzten Zeiten festgelegt werden;

– muss Spielraum fu¨r Abweichungen von Normalbedingungen vorgesehen werden;
– mu¨ssen sehr kurze Taktzeiten vermieden werden;
– muss dem Operator Gelegenheit gegeben werden, nach seinem/ihrem eigenen Arbeitstempo,

statt nach einer vorgegebenen Taktzeit zu arbeiten;

– muss die Arbeit an sich bewegenden Arbeitsgegensta¨nden vermieden werden.

6

6.4

Ergonomie

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